Wir machen 7%

Hier geht’s zum ersten Teil dieses Themas.

Akzeptieren oder nicht akzeptieren? 

Wir sind nicht die ersten, die die umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung von Kuhmilch und veganen Alternativen anprangern. Die Argumente für eine Gleichbehandlung liegen auf der Hand: Tierwohl, Ökologie, Klima und auch keine Diskriminierung von einer veganen oder laktosefreien Ernährungsweise. 

Und es gab bereits einige Petitionen mit der Forderung nach umsatzsteuerlicher Gleichbehandlung von Milchmischgetränken und alternativen Ersatzprodukten:

Alle erfolglos.

Die Argumente für die Ablehnung der Petitionen muteten eher skurril an. So wurde die Ablehnung der Petition 11465 aus dem Jahr 2010 unter anderem damit begründet, dass „es nicht Aufgabe des Umsatzsteuerrechts [sei], eine bestimmte Ernährungsweise – nämlich den vom Petenten angestrebten bevorzugten Konsum von Lebensmitteln aus Getreide – zu fördern“. Ach. Aber ist es Aufgabe des Umsatzsteuerrechts, Langusten im Gegensatz zu Krabben oder Süßkartoffeln im Gegensatz zu Kartoffeln oder Pflanzenmilch im Gegensatz zu Kuhmilch zu dissen? 

Das Zitat oben ist doch ein Argument im Sinne der Petition. 

Noch ein Schenkelklopfer: In der Ablehnung der Petition 78295 aus dem Jahre 2018 stand: „Eine Änderung auch für Milchersatzprodukte auf z. B. Soja- oder Getreidebasis würde die bestehende klare Aufteilung komplizieren, […]“ Klaro. Die Anlage 2 (zu § 12 Absatz 2 Nummer 1, 2, 12, 13 und 14) ist ja überhaupt nicht kompliziert. Sie erschließt sich mit gesundem Menschenverstand. Quiz-frage: Welcher Umsatzsteuer unterliegen lebende Hummeln, lebende Bienen, Honig und Vogeleier? Anlage 2 ist super easy. Und in der Vergangenheit wurde da andauernd rumgefeilt. Siehe die Geschichte mit den Pferden. Also com’on. Warum dann jetzt nicht Änderungen vornehmen? 

Es gab auch gerichtliche Auseinandersetzungen. Wie V R 49/04 – BStBl. II S. 694. Hier wurde eine „Gleichbehandlung von Milch und Hafer“ gefordert. Und auch diese ist gescheitert. Denn das Gericht beruft sich eben auf Anlage 2. Und der Gesetzgeber ist deutlich: Milch ist ein Gemelk tierischen Ursprungs. 

Zumindest fordern Bündnis 90/ die Grünen in ihrem Wahlprogramm zur kommenden Bundestagswahl eine steuerliche Gleichbehandlung von Milchprodukten und Milch-Ersatzprodukten. If you don’t know, now you know: Sonntag, 26. September. 

Und klar: Es geht um mehr als die Frage nach der Besteuerung von Cappuccinos. Es geht auch um die Wurst. Wörtlich und Sprichwörtlich. 

Das aktuelle Umsatzsteuergesetz hemmt den Verkauf veganer Produkte. Nicht nur Hafermilch und Sojamilch. Tofuschnitzel und Saitenwürstchen: 19% Mehrwertsteuer. Tierisches Fleisch: 7%. Diese umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung zusammen mit astronomischen Subventionen für die Milch- und Fleischwirtschaft führt dazu, dass vegane Produkte im Vergleich zu den tierischen Ersatzprodukten teurer sind – und daher weniger verkauft werden. Und das führt zu mehr Fleisch- und Milchkonsum. Dagegen wollen wir uns positionieren.

Rebellieren oder nicht rebellieren? 

Und was machen wir? Noch eine Petition, die ignoriert wird? Nö. 

Theoretisch möglich wäre eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Braucht vermutlich 8 Jahre mit gigantischen Gerichtskosten. Ausgang ungewiss. Machen wir nicht. 

Zumindest können wir für diese Thematik sensibilisieren. Darum schreibe ich. Und – angefixt vom Lesespaß der Anlage 2 – habe ich zwei Ideen entwickelt, wie wir der Lobby-unterwanderten Gesetzgebung insofern Paroli bieten, als wir Schleichwege finden, dass auch ein Hafer-Cappuccino zum Mitnehmen mit 7% Umsatzsteuer belastet wird. Zugegeben, ich hatte viele Ideen. Hier sind die zwei einigermaßen verständlichen und gangbaren. 

1. Idee: Hafer ist eine Speise

Wir behaupten, ein Hafer-Cappuccino sei eine Speise und kein Getränk. Nährwert und Co. sprechen für diese These. Ein Cappuccino ist so gesehen nichts anderes als eine – sagen wir – Tomatensuppe. Ähnlich dickflüssig, ähnlich heiß, ähnlich serviert, ähnlich viele Nährstoffe. Daher eine Speise. Sättigt auch. Wenn ich genügend Hafer-Cappuccinos konsumiere, habe ich keinen Hunger mehr. Und Speisen zum Mitnehmen erfreuen sich des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von 7%. Der 3rd-wave Slogan „it’s a fruit“ wird verballhornt: „it’s a food“. 
Vermutlich geht das so nicht durch. Wäre auch zu schön. Vielleicht auch doch. Ich weiß es nicht. Es gibt aber in Deutschland so etwas wie eine allgemeine Verkehrsauffassung und einen festgehaltenen Sprachgebrauch. Das könnte gegen die These, dass ein Hafer-Cappuccino eine Speise sei, verwendet werden.

2. Idee: Wir reichen einen Extra-Tetrapack

Andere Idee: In Anlage 2 steht, dass „Milchmischgetränke mit einem Anteil an Milch oder Milcherzeugnissen (z.B. Molke) von mindestens fünfundsiebzig Prozent des Fertigerzeugnisses“ dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Na gut. Dann servieren wir eben zu jedem Hafer-Cappuccino einen Tetra- Pack Kuhmilch. Den kann man auch zurückgeben oder auch gar nicht annehmen. Aber wen es bockt, der und die kann auch diesen Liter Kuhmilch aus dem Tetrapack mit dem Hafer-Cappuccino mischen. Zumindest theoretisch. Mir würde das nicht schmecken. Aber mir schmeckt auch kein Latte Macchiato. Jetzt den Taschenrechner rausholen: Ein Hafer-Cappuccino hat ein Volumen von 220 ml. Mische ich den mit einem Liter Milch, dann habe ich ein Gesöff mit 82% Anteil Kuhmilch. Auf jeden Fall mehr als die geforderten 75%. Juhu. Dann 7% Mehrwertsteuer.
Ist das erlaubt? Vermutlich nicht. Oder doch. Kommt darauf an, was das Finanzamt dazu sagt, falls es was sagt.

Machen oder nicht machen? 

So. Und jetzt: Was machen wir? Zugegeben, ich habe Angst, eine der Ideen (1) oder (2) voll durchzuziehen. Denn, wenn wir das ein paar Jahre machen und das Finanzamt uns an den Kragen will, dann drohen zivilrechtliche Klagen, Strafen und Steuernachzahlungen und und und. 

Wir machen daher eine Angsthasen-Variante. Und zwar an den zwei 7. des Monats vor der Bundestagswahl: 

  • Am Samstag, 7. August zählt ein Hafer- Cappuccino als Speise.
  • Am Dienstag, 7. September reichen wir zu jedem Hafer-Cappuccino einen Tetrapack Milch. 

Und: Alle Umsatzsteuern vom 7. August und 7. September, die wir ohne diese Tricks hätten zahlen müssen, spenden wir an Greenpeace. Wir wollen ja keine Steuern hinterziehen und uns bereichern. Wir wollen uns politisch äußern.

Was nun? Sieben oder neunzehn? 

Was fordern wir? Fordern wir 7% Mehrwertsteuer auf Hafer? 

Nein. Wir fordern eine umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von pflanzlichen und tierischen Produkten. Wir haben etwas dagegen, dass Fleisch und Milch geringer besteuert werden als Tofu und Hafermilch. Denn wir möchten, dass Konsument*innen eine echte Wahl haben. Und das haben sie nicht, wenn beispielsweise vegane Produkte künstlich verteuert werden. Vermutlich kommt es auch nicht von ungefähr, dass Hafermilch eher von wohlhabenden Personen getrunken wird. Man muss sich die 19% halt leisten können. 

Sicher: Für unser Unternehmen SUEDHANG wäre die Variante „Milchmischgetränke aus Kuh- und Hafermilch immer 7%“ optimal. 

Andererseits: Ich habe auch nichts gegen Zlatans Idee: Alles 19%. Hafer wie Kuh. Zur Kompensation eine Pro-Kopf- Pauschale. Anstehende Preiserhöhungen bei uns und anderswo werden die Kundinnen und Kunden verstehen. 

Wenn ich wetten müsste, würde ich wetten: Die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung wird kommen. Die Frage ist nur, wann.