Auch Hafer 7%

Du legst 4€ auf den Tresen und erhältst dafür einen Cappuccino. Zum Mitnehmen. Es sind jedoch nicht 4€, mit denen Kosten für Einkäufe, Personal, Miete etc. gedeckt und Gewinne erwirtschaftet werden. Zuallererst bekommt der Staat was ab: Umsatzsteuer. Aber wie viel genau? Nun – es kommt darauf an. Zur Auswahl stehen 19% oder 7%. Warum das denn? Theoretisch deswegen:

„Das deutsche Umsatzsteuergesetz sieht derzeit zwei Steuersätze vor, nämlich einen Regelsteuersatz von 19% und einen ermäßigten Steuersatz von 7%. Der ermäßigte Satz gilt für zahlreiche sozial-, gesundheits-, kultur-, umwelt- und wirtschaftspolitische Zwecke.“

In der Praxis ist das eine komplizierte Angelegenheit. Ob 7% oder 19% MwSt macht einen großen Unterschied. Genau genommen 12%. Vom Umsatz, nicht vom Gewinn.

Ein Cappuccino mit Kuhmilch wird mit 7% besteuert. Mit Hafermilch sind es 19%. Das bedeutet: Wenn du einen Kuh-Cappuccino für 4€ kaufst, gehen 0,28€ an den Staat. Für einen Hafer-Cappuccino gehen 0,76€ an den Staat. Das sind 0,48€ weniger Gewinn pro Hafer-Cappuccino. Eine Frage von Haben oder Nicht-Haben. Das summiert sich auf.

Unser Umsatz im April 2021:

  • Cappuccino mit Kuhmilch: 17.320€, MwSt: 1.212€
  • Cappuccino mit Hafermilch: 6.424€, MwSt: 1.220€
  • Gesamt: 23.744€, MwSt: 2.432€

Hätten wir nur Hafermilch verwendet, wären es 4.511€ MwSt gewesen, also 2.079€ mehr.

Naheliegend wäre: Keine Hafermilch mehr. Aber wir sind gerne doof und fragen jede Kundin und jeden Kunden: Kuh oder Hafer? Denn es ist uns wichtig.

Warum der Unterschied?

Das deutsche Umsatzsteuergesetz, speziell § 12 und Anlage 2, ist voller Absurditäten. Zum Beispiel:

  • Ein Esel: 19%
  • Ein Maulesel: 7%
  • Krabben: 7%
  • Langusten: 19%
  • Kartoffeln: 7%
  • Süßkartoffeln: 19%

Das zeigt, wie willkürlich die Besteuerung ist. 2009 wurde eine Reform diskutiert, die eine Vereinfachung vorschlug: Lebensmittel 7%, alles andere 19%. Doch die Lobbyarbeit war erfolgreich, und es blieb beim Status quo.

Akzeptieren oder nicht akzeptieren?

Wir akzeptieren die Ungleichbehandlung nicht stillschweigend. Es gab zahlreiche Petitionen für die Gleichbehandlung von Kuhmilch und pflanzlichen Alternativen – alle erfolglos. Die Argumente für die Ablehnung waren oft skurril und widersprüchlich.

Eine Petition aus dem Jahr 2010 wurde abgelehnt mit der Begründung, es sei nicht Aufgabe des Umsatzsteuerrechts, eine bestimmte Ernährungsweise zu fördern. Aber ist es Aufgabe des Umsatzsteuerrechts, Langusten gegenüber Krabben oder Pflanzenmilch gegenüber Kuhmilch zu benachteiligen?

Rebellieren oder nicht rebellieren?

Und was machen wir? Noch eine Petition? Nö.

Theoretisch könnten wir eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen, aber das dauert Jahre und kostet viel. Stattdessen sensibilisieren wir für das Thema.

Was nun? Sieben oder neunzehn? 

Was fordern wir? Fordern wir 7% Mehrwertsteuer auf Hafer? 

Nein. Wir fordern eine umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von pflanzlichen und tierischen Produkten. Wir haben etwas dagegen, dass Fleisch und Milch geringer besteuert werden als Tofu und Hafermilch. Denn wir möchten, dass Konsument*innen eine echte Wahl haben. Und das haben sie nicht, wenn beispielsweise vegane Produkte künstlich verteuert werden. Vermutlich kommt es auch nicht von ungefähr, dass Hafermilch eher von wohlhabenden Personen getrunken wird. Man muss sich die 19% halt leisten können. 

Sicher: Für unser Unternehmen SUEDHANG wäre die Variante „Milchmischgetränke aus Kuh- und Hafermilch immer 7%“ optimal. 

Andererseits: Ich habe auch nichts gegen folgende Idee: Alles 19%. Hafer wie Kuh. Zur Kompensation eine Pro-Kopf- Pauschale. Anstehende Preiserhöhungen bei uns und anderswo werden die Kundinnen und Kunden verstehen. 

Wenn ich wetten müsste, würde ich wetten: Die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung wird kommen. Die Frage ist nur, wann.